Atzmann und Farbrekonstruktion Atzmann
Die Ausgrabungen in St. Leonhard, der ältesten erhaltenen Kirche der Frankfurter Innenstadt, brachten unter anderem viele Architektur- und Skulpturfragmente aus Stein zum Vorschein. Das Besondere an diesen ist die zum Teil großflächig erhaltene Farbfassung. Bemalte Steinobjekte aus archäologischen Ausgrabungen sind eine Seltenheit, da sich in der Regel die Bindemittel der Farben im durchfeuchteten Bodenmilieu sehr schnell auflösen und die Pigmente dadurch die Haftung am Stein verlieren. Bei der Restaurierung lag folglich ein Schwerpunkt auf der Festigung der lockeren Farbfassungen. Dabei kamen tierische Leime zum Einsatz. Um die pudernden Malschichten nicht durch den Pinselauftrag abzulösen, wurde feinstes Japanpapier auf kleine Partien aufgelegt und darüber mit dem Pinsel der Leim aufgetragen. Das Japanpapier und die darunter liegenden losen Pigmente wurden so mit der Lösung durchfeuchtet. Nach der Trocknung konnte das Japanpapier mit Wasser angefeuchtet und mühelos von der gefestigten Malschicht abgezogen werden. Mit dieser Konservierung wurde die Grundlage für die weitere Erforschung der bemalten Steinskulpturen geschaffen. So konnten z. B. beim Atzmann mehrere Farbfassungen nachgewiesen werden. Jede Einzelne steht für die fortlaufende Nutzung der Skulptur in einer weiteren Epoche. Die Farbgebung eines Objektes ermöglicht manchmal auch seine Zuweisung zu einem größeren Ensemble. Dies gilt auch für die vorzüglich erhaltene Plastik einer Frau, die – ungeachtet des unterschiedlichen Steinmaterials – mit Fragmenten zweier weiteren weiblichen Figuren in Verbindung gebracht werden kann: es sind Assistenzfiguren des ehemaligen Heilig-Grab-Altars aus St. Leonhard.
Thomas Flügen
Assistenzfigur und Heilig-Grab-Altar